Die Titelstory zur Ausstellung

Wow. Damit hatte ich wahrlich nicht gerechnet. Karpfenland als Titelstory im Fränkischen Tag. Irre. Ich krieg’ das Lächeln gar nicht los :-) Danke Andreas Scheuerer für dieses einfühlsame Portrait.

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Jäger des verborgenen Schatzes

Daniel Boklage hat über drei Jahre lang die Teichwirtschaft im Aischgrund und die Menschen dahinter fotografiert. Eine Ausstellung zeigt nun eine kleine Sammlung seiner Werke. Diese ist auch eine Suche nach sich selbst.

Von Andreas Scheuerer

Ein Rinnsal im abgelassenen Weiher bei dichtem Nebel: Daniel Boklage spielt in seiner Fotografie mit Bewegung und Witterung – und lässt die Landschaft dadurch fast mystisch wirken.

Die Birkenstock hat Daniel Boklage zu Hause gelassen. Jetzt steht er mit schlammgrünen Gummistiefeln, einer alten Kamera und Schiebermütze am Rathaus in Heroldsbach, und man könnte meinen, er wäre gerade auf dem Weg zu seinem Lieblingsmotiv, den Karpfenweihern. Das Outfit aber dient an diesem Nachmittag lediglich zur Schau. Seit gut drei Jahren fotografiert Boklage damit die Weiher im Aischgrund, nun sind die Bilder in einer Ausstellung zu sehen. Und die ist nicht weniger als eine kleine Sensation. Das liegt vor allem an den fein austarierten Schwarz-Weiß-Kompositionen, mit denen Boklage nicht nur die Landschaft rund um die Weiher einfängt, sondern auch die Geschichten der Menschen dahinter. Auf einem Bild ist ein Junge zu sehen, der dem Großvater in der Küche gebannt dabei zusieht, wie der die Karpfen filetiert. Auf einem anderen zerrt ein Teichwirt die Netze im dichten Nebel mühevoll durchs Wasser. Für Boklage ist die Teichwirtschaft eine Tradition, ein Schatz, den er, wie er gesteht, lange nicht erkannt habe.

1000 Bilder, 13 stellt er aus

Etwa 1000 Bilder sind von diesem Schatz entstanden, 13 stellt er nun aus. Es ist das Portrait einer Kulturlandschaft, das durch seine Aufmachung zeitlos und fast mystisch auf den Betrachter wirkt. Die körnigen Bilder, der Nebel, der Schwarz-Weiß-Ton. Alles erscheint wuchtig und zerbrechlich zugleich so wie die rauschige Aufnahme eines alten Plattenspielers.

Nie drängt sich Boklage in den Vordergrund, sondern bleibt stets stiller Beobachter, was dem Naturell des 42-jährigen wohl am nächsten kommt. Boklage ist ein ruhiger Charakter. Er hat sich in München zum Fernsehjournalisten ausbilden lassen und arbeitete eine Zeit lang bei den Wissenssendungen Galileo und Abenteuer Leben. Aber als die Formate damit angefangen haben, sich weniger ums Wissen und mehr um die Wettfressen in deutschen Provinzen zu interessieren, kündigte er. Er ist dann in die Werbung gegangen, erzählt er, heute arbeitet er als Kreativdirektor bei einer Firma in Forchheim. Aber den Drang zum Erzählen von Geschichten hat er nie verloren. ,,Die Nähe zum visuellen Erzählen war immer da“, sagt er.

Vor zehn Jahren ist der gebürtige Niedersachse mit seiner Frau nach Heroldsbach gezogen. Als das erste Kind 2016 kam, hat er mit dem Fotografieren begonnen. Der Schwiegervater habe ihm damals eine alte Spiegelreflexkamera in die Hand gedrückt, die noch mit Film funktionierte, und damit habe alles begonnen. Warum die Teichlandschaft als Motiv? ,,Die war halt da“, sagt der Fotograf. Er recherchierte zum Thema und fragte sich bald: Wer prägt hier eigentlich wen mehr: der Mensch die Landschaft oder umgekehrt? ,,Klar ist es so, dass die Menschen die Teiche irgendwann erschaffen haben, die geraden Linien, die hat der Mensch gezogen. Gleichzeitig gilt: Wenn man sich für die Teichwirtschaft entscheidet, dann taktet das dein Leben durch. Die Familien kommen zusammen an Feiertagen, zum Karpfenessen, bei Festen. Alle stehen dann manchmal frierend im Weiher. Dazu wird alles regional und nachhaltig erzeugt. Das fand ich schön“ , sagt Boklage.

Es hat nicht lange gedauert, bis er drin war in dieser Kulturlandschaft, heute kennt er viele Teichwirte und Restaurantbesitzer persönlich. Er hat sich mit ihnen getroffen, hat mit ihnen über ihr Leben gesprochen und ihnen dabei genau zugesehen. Am Ende sei es auch für ihn „eine Art Integrationsprozess“ gewesen, in dem er sich mit dem Heimatbegriff beschäftigt habe. ,,Es ist vielleicht nicht meine Heimat, aber auf jeden Fall die meiner Kinder. Da muss ich es auch verstehen oder?“

Wer die Bilder sieht, kann diese Suche nach der Heimat bestaunen. Auch deshalb hat er der Ausstellung den Titel ,,Heimat ist kein Ort“ gegeben. Boklage muss es wissen, schließlich hat er bereits an vielen Orten gelebt, in Berlin, in München. Doch die Hektik und Effizienz der Großstädte haben ihn nie beeindruckt. In Heroldsbach sei das Leben ruhiger, beständiger. Für die Nachbearbeitung seiner Bilder schickt er den Film zum Entwickeln trotzdem in ein Speziallabor bei Köln. ,,Die Ästhetik bekomme ich sonst nie so hin.“

Ausstellungsraum selbst entworfen

Dass die Ausstellung in Heroldsbach stattfinden kann, ist zum Großteil Boklage selbst zu verdanken. Schließlich hat der kreative Kopf die Museumsscheune des Kurartenhauses, in der normalerweise ein Heimatmuseum untergebracht ist, im Handumdrehen zu einer Pop-up-Galerie umfunktioniert. Zusammen mit einem Schreiner hat er eine Hängekonstruktion für die Bilder entwickelt, die nicht nur seine, sondern in Zukunft auch weitere Ausstellungen nach Heroldsbach holen soll, hofft er. Es ist noch nicht lange her, da hat sich Boklage in den Teichlandschaften oft verirrt. Heute bewegt er sich sicher zwischen den rund 7000 Teichen. ,,Man kennt sich irgendwann aus“, sagt er und lächelt breit.

Abgeschlossen sei das Projekt aber noch nicht. Für die nächsten Jahre will er Teichwirte eventuell einzeln porträtieren und einen Bildband erstellen. ,,Mal schauen“, sagt er. Dann stapft Daniel Boklage über die Straße zurück nach Hause, wo er, nach allem was man über ihn weiß, aus den Stiefeln steigt und in seine Birkenstock schlüpft.

Fränkischer Tag, 12.05.2023, Andreas Scheuerer

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Ausstellung feierlich eröffnet

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